Neben dem ordentlichen / «normalen» Verfahren gibt es noch besondere Verfahren, zu welchen in erster Linie das Strafbefehlsverfahren gehört. Dieses ist besonders bedeutend, weil etwa 95% aller Strafrechtsfälle in einem solchen Verfahren erledigt werden. Folglich ist – quantitativ betrachtet – das Strafbefehlsverfahren die Regel und damit eigentlich das «normale» Verfahren.
Ein Strafbefehl wird sowohl von der herrschenden Meinung als auch vom Gesetzgeber als Urteilsvorschlag verstanden. Die Staatsanwaltschaft bietet dem Beschuldigten eine Beurteilung durch einen Strafbefehl mit einer konkreten Sanktion an und der Beschuldigte kann aussuchen, ob er das, was ihm angeboten wird, akzeptiert oder ob er das normale Verfahren wählt. Nur wenn er das normale Verfahren wählt, kommt es zu einer Anklageerhebung. Ohne gültige Einsprache wird der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil (Art. 354 Abs. 3 StPO). Der Strafbefehl ist eigentlich kein Urteil, wird aber bei Verzicht auf Einsprache dennoch zum Urteil.
Der Strafbefehl ist demnach ein Urteilsvorschlag und deswegen lediglich ein Rechtsbehelf und kein Rechtsmittel.
Die Kompetenz, einen Strafbefehl zu erlassen, liegt bei der Staatsanwaltschaft (Art. 352 Abs. 1 StPO). Falls es demnach zu einem Strafbefehlsverfahren kommt, gibt es weder eine ordentliche Anklage noch eine anschliessende Hauptverhandlung vor einem unabhängigen Gericht. Häufig wird zudem auf ein Beweisverfahren verzichtet. Aus diesem Grund ist der Strafbefehl – wie bereits erwähnt – lediglich ein Urteilsvorschlag der Staatsanwaltschaft, gegen welchen Einsprache erhoben werden kann.
Hat der Beschuldigte den Sachverhalt eingestanden oder hält die Staatsanwaltschaft ihn aus anderen Gründen für ausreichend geklärt, so kann sie unter anderem bei einer Busse, bei einer Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von höchstens sechs Monaten einen entsprechenden Strafbefehl erlassen (Art. 352 Abs. 1 StPO).
Der Strafbefehl wird zum rechtskräftigen Urteil, falls ich als beschuldigte Person:
Falls ich als beschuldigte Person mit dem Strafbefehl nicht einverstanden bin, kann ich bei der Staatsanwaltschaft innert zehn Tagen schriftlich Einsprache dagegen erheben (Art. 354 Abs. 1 StPO).
Bei einer Einsprache erhebt die Staatsanwaltschaft (weitere) Beweise und führt gegebenenfalls (erneute) Einvernahmen des Beschuldigten durch (Art. 355 Abs. 1 StPO). Nach Abnahme der Beweise beziehungsweise nach dem Abschluss dieser ergänzenden Untersuchungen, entscheidet sie, ob sie gemäss Art. 355 Abs. 3 StPO:
Falls die Staatsanwaltschaft am ursprünglichen Strafbefehl festhält, erhebt sie damit Anklage beim zuständigen Gericht, welches anschliessend ein ordentliches Hauptverfahren durchführt. Der Strafbefehl gilt dabei als Anklageschrift (Art. 356 Abs. 1 StPO).
Falls die beschuldigte Person nicht innert zehn Tagen schriftlich Einsprache bei der Staatsanwaltschaft erhebt, wird der Strafbefehl rechtskräftig (Art. 354 Abs. 3 StPO). Wenn also die Einsprache unterbleibt, wird die Zustimmung des Strafbefehls fingiert.